Auf der Netzseite des Bundestags wird die Veranstaltung so angekündigt:
„Das Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht im Mittelpunkt einer Bundestagsdebatte am Donnerstag, 22. Februar 2024. Dazu liegt den Abgeordneten ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Für transparente Verhandlungen über das WHO-Pandemieabkommen – Gegen Fehlinformationen und Verschwörungstheorien“ (20/9737) vor. Zudem hat die AfD-Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Ablehnung des WHO-Pandemievertrags sowie der überarbeiteten Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV)“ (20/10391) vorgelegt. Beide Anträge sollen im Anschluss an die halbstündige Debatte an die Ausschüsse überwiesen werden. Bei den weiteren Beratungen soll jeweils der Gesundheitsausschuss die Federführung übernehmen.“
Den Antrag der AfD-Fraktion wurde auf der Bundestagsseite veröffentlicht, während ich an diesem Beitrag schrieb. Eine Stellungnahme zu diesem Antrag reiche ich nach.
Ob die Debatte eine Konsequenz einer Petition an den Bundestag ist, dem Vertrag nicht zuzustimmen, die 74.000 Unterschriften erreichte, wird aus der Ankündigung nicht deutlich. Ein offener Brief an den Bundeskanzler mit der gleichen Forderung fand mehr als eine halbe Million Unterstützer.
Die Überschrift des Antrags der Unionsfraktion ist grob irreführend. Fast alle Abgeordneten könnten wohl mindestens dem ersten Teil der Überschrift, der Forderung nach transparenten Verhandlungen zustimmen. Aber im Text wird an keiner Stelle gefordert, die Verhandlungen transparenter oder gar transparent zu machen – im Gegenteil. So lässt die Unionsfraktion die Nichtveröffentlichung einer wesentlichen Verhandlungsgrundlage folgendermaßen unkommentiert:
„Der „Bureau’s Text“ ist neben einer unveröffentlichten Sammlung aller Vorschläge der Mitgliedstaaten die Diskussionsgrundlage für die Pandemievereinbarung.“
Wenn es wirklich um transparente Verhandlungen ginge, hätte sich hier eine Forderung nach Veröffentlichung aufgedrängt. Auch wird in dem Antrag lobend erwähnt, dass es durch „ein neu eingeführtes informelleres Verhandlungsformat“ gelungen sei, die Abwehrfront der Schwellenländer gegen einen starken Patentschutz für Medikamente und Impfstoffe auch in Pandemien aufzubrechen. Ist es das, was sich die Union unter „transparenten Verhandlungen“ vorstellt?
Gefordert werden in dem von Friedrich Merz und Alexander Dobrindt eingebrachten Antrag laut dessen Text keine transparenten Verhandlungen, sondern „eine breit angelegte öffentliche Debatte (in Deutschland) über Ziele und Inhalt des Pandemievertrags“. Wenn es ihnen wenigstens darum ginge, wäre das ja schon etwas. Aber schon in der Überschrift und im Satz nach der Betonung der Notwendigkeit einer solchen Debatte, diskreditieren sie jeden, der ihre uneingeschränkt positive Sicht des Pandemievertrags nicht teilt, als Verbreiter von“Fehlinformationen“, „Verschwörungstheorien“ und „Gerüchten“, später im Text auch noch von „Hassreden“.
Angeblich will die Union mit ihrem Antrag „die Diskussion versachlichen“. Wie das gelingen soll, wenn man Menschen mit abweichender Meinung von vorneherein derart pauschal abwertet, wird wohl das Geheimnis von Merz und Dobrindt bleiben.
Was derart aus dem zulässigen Diskussionsraum verbannt wird, sind Befürchtungen, die WHO könnte zulasten der Souveränität der nationalen Regierungen zu viel Macht bekommen. Dabei hat selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Oktober auf dem Weltgesundheitsgipfel in Berlin eingeräumt:
„Wir werden nicht in der Lage sein, ausländische Kräfte einzuschleusen, wenn es zu einem Ausbruch kommt. Das muss von diesen Ländern aus geschehen. Und die Unterstützung muss erbeten werden und darf nicht sehr aggressiv angeboten werden.“
Damit gestand er den Kritikern zu, dass die im Entwurf des Vertrags enthaltene aggressiv angebotene Unterstützung von ausländischen Expertenteams im Pandemiefall zu weit gehen und die Souveränität der betroffenen Regierungen zu sehr beschneiden würde.
Anfang 2023 warnte eine aus Regierungsvertretern bestehende Prüfkommission, dass die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR), die eng mit dem Pandemievertrag zusammenhängt, in der damals geplanten Form die Souveränität der Regierungen übermäßig beschneiden würde.
Die Union will also weder wie in der Überschrift behauptet, transparente Verhandlungen, noch will sie, wie im Text behauptet, eine breite gesellschaftliche Diskussion des Pandemievertrags, sondern in Wahrheit jeweils das Gegenteil.
Die konkreten Forderungen des grob irreführend formulierten Antrags laufen darauf hinaus, in den Verhandlungen zum Pandemievertrag und zu den IHR die Interessen der großen Pharmakonzerne mit Nachdruck zu vertreten. Umfassender Patentschutz ohne krisenbedingte Ausnahmen soll verteidigt werden, Verpflichtungen zur umfangreichen Bevorratung der Produkte der Konzerne solle verhandelt werden (Prevention and Preparedness) und die stets pharmafreundlich ausgeübten Befugnisse der WHO über den sogeannnten „One Healtth“-Ansatz stark verbreitert werden, auf alles mögliche von präventiver Tierimpfung bis Hitzeschutz und Klimawandel. All dies unterstützt, wer dem CDU/CSU-Antrag zustimmt.